Ursachen von Übergewicht (Folge 5 von 14)
Eine häufige Ursache für eine Gewichtszunahme ist die Einnahme von Medikamenten zur Behandlung von Krankheiten. Viele Menschen kennen die „pfundigen“ Nebenwirkungen bestimmter Anti-Diabetika oder Psychopharmaka nur zu gut. Auch Kortisonpräparate können unschöne Pölsterchen hervorrufen. Das liegt daran, dass an der Regulierung des Körpergewichtes zahlreiche Botenstoffe und Hormone beteiligt sind. Bestimmte Arzneimittel greifen in dieses komplizierte Wechselspiel ein und verstärken dabei ungewollt Hungergefühle oder reduzieren den Energieumsatz. Das führt beispielsweise zu einer Gewichtszunahme, obwohl kaum etwas gegessen wird.
Solche unerwünschten Nebenwirkungen lassen sich nicht immer vermeiden. Jeder Patient reagiert allerdings anders auf Medikamente. Lassen Sie sich unbedingt vom Facharzt und einem qualifizierten Apotheker beraten, wenn Sie vermuten, dass eine Gewichtszunahme im Zusammenhang mit einer medikamentösen Behandlung steht. Keinesfalls sollte ein Arzneimittel ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt einfach abgesetzt werden. Nicht selten kann auch ein Wechsel des Präparates oder eine Veränderung der Dosis hilfreich sein. Ergänzend sind wirksame Maßnahmen wichtig, die das Körpergewicht senken können (zum Beispiel die „Friss-ein-Drittel-Diät“ oder vermehrt eine Kombination aus Kraft- und Ausdauersport). Auch Intervall-Fasten (iFasten) kann nach Absprache mit dem Arzt sinnvoll sein. Nachfolgend kommt ein Überblick über wichtige Medikamentengruppe, die „gewichtige“ Nebenwirkungen haben können.
Insulin und Anti-Diabetika
Wenn der Blutzuckerspiegel sinkt, kann das Gewicht steigen: Bei deutlicher Stoffwechselverbesserung sogar bis zu fünf oder zehn Kilo. Denn Insulin und viele Diabetes-Tabletten sorgen dafür, dass der Zucker wieder besser in die Zellen aufgenommen wird, anstatt die Blutgefäße zu verkleistern oder unverarbeitet mit dem Urin ausgeschieden zu werden. Verstärkter Durst oder Appetit begünstigen außerdem die Kalorienaufnahme. Bei Insulin besteht die Möglichkeit, auf ein Alt- oder Analogpräparat umzusteigen. Sie wirken schneller als Verzögerungsinsulin und lösen kein größeres Hungergefühl aus. Auch der Diabetes-Wirkstoff Metformin beeinflusst das Gewicht kaum, senkt den Appetit und kann mit einem Verzögerungsinsulin zur Nacht kombiniert werden.
Betablocker
Die Präparate gegen Bluthochdruck vermindern den Energiestoffwechsel, das heißt, sie drosseln die Fettverbrennung und machen leichter müde. Durch die verminderte Aktivität können einige Kilos auf den Hüften ansetzen. Wenn das Herz nicht vorgeschädigt ist, sollten Sie Ihren Arzt auf mögliche Alternativen ansprechen. Ein Wechsel zu ACE-Hemmern oder Diuretika könnte helfen. Nach einem Herzinfarkt oder bei einer koronaren Herzerkrankung haben sich Betablocker jedoch am besten bewährt. Sie abzusetzen ist gefährlich. Die zwei oder drei Extra-Kilos kann man durch fettarme Ernährung loswerden.
Psychopharmaka (Neuroleptika, Antidepressiva)
Diese Präparate beeinflussen den Stoffwechsel ebenfalls und steigern den Appetit in unterschiedlicher Weise. Bei den traditionellen Neuroleptika kommt die Gewichtszunahme in der Regel nach einem halben bis ganzen Jahr zum Stillstand. Bei den neueren (sogenannten atypischen) Neuroleptika hört die Gewichtszunahme schon nach ein bis zwei Wochen Einnahme auf und ist außerdem dosisabhängig. Bei den Antidepressiva führen die sogenannten MAO-Hemmer nur selten zu mehr Pfunden. Trizyklische Antidepressiva steigern eher den Appetit, je nach Arzneistoff jedoch in unterschiedlichem Maße. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wirken unterschiedlich, können jedoch über eine längeren Einnahme-Zeitraum den Appetit anregen. Bei der Langzeittherapie mit Lithium zählt die Gewichtszunahme zu den häufigsten Nebenwirkungen.
Kortisonhaltige Medikamente
Sie helfen vor allem bei rheumatischen Erkrankungen, Asthma oder Morbus Crohn, doch leider wirkt Kortison sehr appetitanregend und verlangsamt gleichzeitig den Stoffwechsel: Die Fett- und Zuckerverwertung läuft auf Sparflamme. Durch die nicht verbrauchte Energie siedeln sich Fettpölsterchen vor allem in der Hals-Nackenregion und im Gesicht an. Ein Teil der Gewichtszunahme kommt auch durch vermehrte Wassereinlagerung im Gewebe zustande. Doch nur, wer Kortisontabletten einnimmt, muss mit einer Gewichtszunahme rechnen. Äußerlich angewandt, verschont es die Figur: Bei Asthma oder bestimmten Hauterkrankungen kann man oft auf Sprays oder Cremes ausweichen, die nur örtlich wirken.
Migränemittel
Auch bei einigen Migränemedikamenten kann es zu einer Gewichtszunahme kommen. Der Wirkstoff Pizotifen hat zum Beispiel eine appetitanregende Wirkung und wird auch in Drageeform als Appetitstimulans eingesetzt. Die Migräne-Arzneistoffe Flunarizin und Cinnarizin beeinflussen als Calcium-Antagonisten die Freisetzung calciumabhängiger Botenstoffe und wirken sich ebenfalls auf das Gewicht aus.
Hormone
Östrogene und Progesteron führen nur in höheren Dosen zu einer Gewichtszunahme. Östrogenhaltige Pillen können eine verstärkte Wassereinlagerung im Gewebe und damit eine leichte Gewichtszunahme bewirken. Bei Pillen, die Gestagen enthalten, ist das zwar nicht der Fall, dafür können sie den Appetit steigern. Doch bei den heutigen niedrig dosierten oralen Verhütungsmitteln und auch bei Hormonersatzmitteln treten diese Nebenwirkungen kaum noch auf.
Häufigkeit von Gewichtszunahme nach Wirkstoffen
Die Wirkstoffe der verordneten Arzneimittel stehen auf der Packung sowie auf der Packungsbeilage. Die folgende Liste zeigt eindrücklich, bei wie vielen Medikamenten teilweise erhebliche Gewichtszunahmen erfolgen. Die Gewichtssteigerung als Nebenwirkung einer Arzneitherapie verschwindet übrigens durchaus nicht immer, wenn das verursachende Medikament nicht weiter eingenommen wird. Die Störungen von Stoffwechsel und anderen Körperfunktionen können auch bestehen bleiben.
SEHR HÄUFIG: Aldesleukin, Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Arsentrioxid, Basiliximab, Busulfan, Canakinumab, Chlorprothixen, Clomipramin-HCl, Clozapin, Dasatinib, Desipramin, Etonogestrel, Imatinib, Lenalidomid, Medroxyprogesteronazetat, Megestrolazetat, Olanzapin, Oxaliplatin, Pregabalin, Quetiapin, Ribavirin, Sirolimus, Tamoxifen, Thalidomid, Thiotepa, Trastuzumab, Tretinoin, Vigabatrin.
HÄUFIG: Abarelix, Allylestrenol, Amisulprid, Anastrozol, Aripiprazol, Asenapin, Astemizol, Azelastin-HCl/Nase, Belatacept, Betamethason, Bexaroten, Bicalutamid, Bortezomib, Carbutamid, Carvedilol, Cholinesterasehemmer, Citalopram, Clobazam, Cloprednol, Cyproheptadin-HCl, Cyproteronazetat, Darifenacin, Deflazacort, Degarelix, Desogestrel, Dexamethason, Diazoxid, Dienogest, Dihydroergocryptinmesilat, Disopyramid, Docetaxel, Dosulepin, Dydrogesteron, Epimestrol, Escitalopram, Estradiol, Estradiolvalerat + Dienogest, Ethinylestradiol, Ethinylestradiol + Chlormadinonazetat, Ethinylestradiol + Desogestrel, Ethinylestradiol + Drospirenon, Ethinylestradiol + Etonogestrel, Ethinylestradiol + Gestoden, Ethinylestradiol + Levonorgestrel, Ethinylestradiol + Lynestrenol, Ethinylestradiol + Norelgestromin, Ethinylestradiol + Norethisteron, Ethinylestradiol + Norgestimat, Exemestan, Felbamat, Flunarizin, Fluocortolon, Fluoxetin, Flupentixol, Fluvoxaminmaleat, Follitropin alfa, Gabapentin, Galantamin, Gestagen-Minipille, Gestagene, Glatiramerazetat, Glibenclamid, Glibornurid, Gliclazid, Glimepirid, Glipizid, Gliquidon, Glisoxepid, Glitazonantidiabetika, Glukokortikoide, Glymidine-Na, GnRH-Agonisten, Goserelin, Haloperidol, Haloperidoldecanoat, Histrelinazetat, Hydrokortison, Hydroxyprogesteroncaproat, Iloperidon, Imipramin, Interferon beta-1b, Isradipin, konjugierte Östrogene, Kortisonazetat, Letrozol, Levonorgestrel, Linagliptin, Lithiumsalz, Lynestrenol, Maprotilin, Mecasermin, Medrogeston, Medroxyprogesteronazetat, Methylprednisolon, Miglustat, Milnacipran, Minoxidil, extern, Mirtazapin, Modafinil, Mycophenolatmofetil, Nafarelin, Natriumoxybat, Natriumphenylbutyrat, Nilotinib, Norethisteron, Norethisteronenantat, Nortriptylin-HCl, Oxatomid, Paliperidon, Paramethason, Paroxetin, Pegvisomant, Pentostatin, Pergolid, Pioglitazon, Piracetam, Prazosin, Prednisolon, Prednison, Prednyliden, Progesteron, Raloxifen-HCl, Retigabin, Rimexolon, Risperidon, Rivastigmin, Rosiglitazon, Sertindol, Sertralin, Sildenafil, Sulfonylharnstoff-Antidiabetika, Tacrolimus, Temozolomid, Testosteron-Hautpflaster, Tibolon, Tocilizumab, Tolazamid, Tolbutamid, Tolmetin, Tolterodintartrat, Tranylcypromin, Triamcinolon, Valproinsäure-Natrium, Vareniclin, Vildagliptin, Vinorelbin, Ziprasidon, Zuclopenthixol, Zuclopenthixolazetat, Zuclopenthixoldecanoat.
GELEGENTLICH: Abatacept, Adalimumab, Amlodipin, Aprepitant, Atazanavir, Atorvastatin, Bilastin, Budesonid, Bupropion-HCl, Buserelin, Buspiron-HCl, Capecitabin, Carbamazepin, Certolizumab Pegol, Chlormadinonazetat, Ciclosporin A, Clomifendihydrogenzitrat, Clonidin-HCl, Darunavir, Diltiazem-HCl, Doxazosin, Duloxetin, Estriol, Etoricoxib, Febuxostat, Fluspirilen, Fosaprepitant, Icatibant, Ketotifen, Lasofoxifen, Leuprorelinazetat, Levodopa + Carbidopa 10:1, Levodopa + Carbidopa 4:1, Lopinavir, Losartan-Kalium, Lumiracoxib, Melatonin, Metoprolol, Mometasonfuroat-Inhalat, Nifedipin, Nikotin, Norethisteronazetat, Omalizumab, Opipramol-diHCl, Perphenazin, Perphenazinenantat, Pramipexol, Ramipril, Ranolazin, Rofecoxib, Romiplostim, Rupatadin, Sulpirid, Tacrin, Terazosin, Teriparatid, Thioridazin-HCl, Tiaprid, Toremifen, Trazodon-HCl, Triptorelin, Valdecoxib, Venlafaxin, Vinflunin, Zaleplon, Zoledronat, Zonisamid, Zotepin.
SELTEN: Aceclofenac, Amsacrin, Anagrelid, Bromperidol, Cetirizin-2HCl, Cimicifugawurzelstock, Felodipin, Flupentixoldecanoat, Iprazochrom, Levocetirizin-2HCl, Loteprednoletabonat/Auge, Nilvadipin, Oxycodon-HCl, Oxycodon-HCl + Naloxon (2:1), Prazepam, Rabeprazol-Natrium, Sumatriptan, Topiramat.
FERNER (es wird berichtet, aber ohne Häufigkeitsangabe): Acamprosat-Kalzium, ACE-Hemmer, Acemetazin, Alendronat, Alfuzosin-HCl, Alimemazin, Alprazolam, Alufibrat, Amiodaron-HCl, Amprenavir, anabole Steroide, Androgene, Angiotensin-II-Antagonisten, Anionenaustauscher, Azapropazon, Baclofen, Beclometasondipropionat-Inhalat, Benazepril-HCl, Benperidol, Bezafibrat, Bisoprololfumarat, Budesonid-Inhalat, Bumadizon, Buprenorphin, Butazone, Candesartancilexetil, Captopril, Carbenoxolon, Carbimazol, Celecoxib, Cerivastatin-Natrium, Chlorpromazin-HCl, Cholesterinsynthesehemmer, Choriongonadotropin, Choriongonadotropin alfa, Choriongonadotropin, humanes, Ciclesonid-Inhalat, Cilazapril, Cinnarizin, Clofibrat, Clopenthixol, Clostebolazetat, Co-codamol, Co-codaprin, Colestipol-HCl, Colestyramin, Corifollitropin alfa, Delavirdin, Desmopressinazetat, Dexamethason-Inhalat, Dexibuprofen, Dexketoprofen, Dextromoramid, Dibenzepin, Diclofenac-Colestyramin, Diclofenac-Kalium, Diclofenac-Natrium, Dihydrokodein, Dixyrazin, Dolasetronmesilat, Donepezil, Doxepin, Doxorubicin-HCl, Enalaprilat, Enalaprilmaleat, Eprosartan, Equilinsulfat-Natrium, Estradiolbenzoat, Estradiolvalerat, Etanercept, Ethinylestradiol + Cyproteronazetat, Ethinylestradiol + Dienogest, Ethinylestradiol + Norethisteronazetat, Ethinylestradiol + Norgestrel, Ethosuximid, Etofenamat, Etofibrat, Etofyllinclofibrat, Ezetimib + Simvastatin, Fenbufen, Fenofibrat, Fenoprofen, Fentanyl, Fibrat-Lipidsenker, Fluanison, Fludrocortison, Flufenaminsäure, Flunisolid-Inhalat, Fluphenazin, Fluphenazindecanoat, Flurbiprofen, Fluticasonpropionat-Inhalat, Fluvastatin, Follitropin beta, Fosamprenavir, Fosinopril-Natrium, Gemfibrozil, Glukokortikoid-Asthmainhalate, Gonadotropine, Granisetron, Guanethidin, Haloperidoldecanoat, Hydromorphon-HCl, Hydroxycarbamid, Ibuprofen, Imidapril-HCl, Indinavir, Indometazin, Indoramin, Irbesartan, Kalziumdobesilat, Kebuzon, Ketoprofen, Kodein, Kodeinphosphat, Lansoprazol, Levazetylmethadol-HCl, Levetiracetam, Levodopa, Levodopa + Benserazid, Levodopa + Carbidopa, Levomepromazin, Levomethadon-HCl, Lisinopril, Lisuridmaleat, Lofepramin, Lonazolac-Ca, Loratadin, Lornoxicam, Lovastatin, Lurasidon-HCl, Lutropin alfa, Melitracen, Meloxicam, Melperon-HCl, Menotropin, Mesterolon, Mestranol, Mestranol + Chlormadinonazetat, Mesuximid, Metenolon, Methadon-HCl, Methyldopa, Methyltestosteron, Methysergid, Metofenazat, Mianserin, Mizolastin, Moexipril-HCl, Mofebutazon, Morphin, Nabumeton, Nandrolondecanoat, Naproxen, Nelfinavir, Neuroleptika, nichtsteroidale Antirheumatika, Nifluminsäure, Norgestrel, Olmesartanmedoxomil, Omeprazol, Ondansetron, Opioid-Analgetika, orale Kontrazeptiva, Östrogene, Oxaboloncipionat, Oxaprozin, Oxomemazin, Oxycodon-HCl + Naloxon, Oxymetholon, Oxypertin, Oxyphenbutazon, Pentazocin, Perazin, Periciacin, Perindopril, Pethidin-HCl, Phenylbutazon, Phenytoin, Pimozid, Pipamperon, Pirbuterol, Pirenzepin-HCl, Piritramid, Piroxicam, Pirprofen, Pizotifen, Pravastatin-Natrium, Proglumetazindimaleat, Promazin-HCl, Promethazin-HCl, Propranolol, Propylthiouracil, Proteasehemmer, Prothipendyl-HCl, Pyrazinobutazon, Quinapril, Quinaprilat, Remoxiprid-HCl, Reserpin, Ritonavir, Rosuvastatin, Salmeterol-Inhalat, Saquinavir, Serotonin (5‑HT3)-Antagonisten, Simvastatin, Spirapril-HCl, Stanozolol, Sulforidazin, Suxibuzon, Telmisartan, Tenoxicam, Terfenadin, Testolakton, Testosteron per os, Testosteron, extern, Testosteron-Hodenpflaster, Testosteronenantat, Testosteronpropionat, Testosteronundecanoat, Tetracosactid, Thiamazol, Thyreostatika, Tiaprofensäure, Tilidin-HCl, Tilidin-HCl + Naloxon-HCl, Tiotixen, Tipranavir, Trandolapril, Trifluoperazin, Trifluperidol, Triflupromazin, Trimipramin, trizyklische Antidepressiva, Tropisetron, Tryptophan, Urofollitropin, Valsartan, veresterte Östrogene, pflanzliche, Zofenopril-Kalzium.
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Berlin, 2016. 19. August 2014.
Bildnachweis
• 55.000 Fotos (aus „370.000 ClipArts“; Planet Medien, Zug, Schweiz, 1999).
Quellen
• Pressedienst Deutsches Grünes Kreuz: Deutsche Gesundheits-Korrespondenz (dgk). 2008;49(1/2).
• arznei-telegramm Arzneimittel-Datenbank. Stand Oktober 2011.