Wenn die Waage nicht alles sagt
„Für uns Ärzte sind Laborwerte oft greifbar – aber was Patienten wirklich bewegt, ist die Frage: Kann ich wieder mit meinen Enkeln spielen? Oder ohne Scham einkaufen gehen?“ Dieses Statement von Dr. med. Ruth Hanßen bei einer Fachpressekonferenz bringt es auf den Punkt: Medizinische Erfolge zeigen sich nicht nur in Zahlen, sondern im gelebten Alltag.
Das Gefängnis aus Kilos und Verzweiflung
Menschen mit starkem Übergewicht kämpfen oft jahrzehntelang gegen ihre Kilos – ein Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung. „Jede gescheiterte Diät hinterlässt seelische Narben“, beschreibt Dr. Hanßen. „Es ist dieses Gefühl, gegen den eigenen Körper zu verlieren.“ Neuere Behandlungen wie die Fettweg-Spritze mit dem Wirkstoff Semaglutid setzen genau hier an: Sie wirken im Gehirn und dämpfen das ständige Gedankenkarussell um Essen. Patienten berichten von einer „Befreiung im Kopf“, die es ihnen erstmals ermöglicht, anders mit Nahrung umzugehen.
Die unsichtbaren Siege des Alltags
Besonders deutlich wird der Gewinn an Lebensqualität bei Diabetes-Patienten mit Durchblutungsstörungen in den Beinen. Prof. Dr. med. Thomas Ebert erklärt: „Eine Verbesserung der Gehstrecke um 13% klingt abstrakt. Für Betroffene bedeutet sie: Endlich selbst zum Bäcker gehen – ohne dass jede Parkbank zur Rettungsstation wird.“
Diese kleinen Erfolge sind oft der Startschuss für positive Veränderungen:
– Weniger Atemnot beim Schuhebinden
– Geringere Gelenkschmerzen beim Aufstehen
– Die Möglichkeit, wieder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen
„Plötzlich wird Bewegung nicht als Strafe, sondern als Geschenk erlebt“, beobachtet Diabetologe Dr. med. Marcel Kaiser aus seiner Praxis.
Mehr als ein Medikament: Ein Stück Selbst zurückgewinnen
Die eigentliche Stärke moderner Arzneimittel wie Semaglutid liegt im Wiederherstellen von Handlungsfähigkeit. „Wenn jemand nach Jahren erstmals wieder beruflich durchstarten kann oder eine Reise plant – das sind die wahren Behandlungserfolge“, so Dr. Kaiser.
Prof. Ebert ergänzt einen oft übersehenen Aspekt: „Unser System misst Laborwerte und Krankenhausaufenthalte. Aber wie soll man ‚Wieder Freude am Kleiderkauf haben‘ oder ‚Endlich ohne Scham ins Kino gehen‘ in Akten vermerken?“ Dabei seien genau diese Veränderungen für Patienten oft entscheidend.
Warum Ärzte manchmal das Wesentliche übersehen
Die Medizin ist geprägt von messbaren Größen: Blutzuckerwerte, Blutdruck, Gewichtskurven. „Doch wenn eine Patientin strahlend berichtet, sie passe endlich wieder in Flugzeugsitze oder könne auf Kinderschaukeln sitzen – das ist der menschliche Kern jeder Behandlung“, betont Dr. Hanßen.
Diese Veränderungen bleiben in Studien oft unsichtbar, zeigen sich aber deutlich im Praxisalltag:
– Ein 58-Jähriger, der erstmals seit Jahren mit seinem Sohn wandert
– Eine junge Mutter, die wieder auf dem Boden mit ihren Kindern spielt
– Ein Rentner, der seine Enkel ohne Luftnot hochheben kann
Das neue Lebensgefühl
Am eindrücklichsten beschreibt es Prof. Ebert: „Die größten Erfolge sind nicht die Kilos auf der Waage. Es ist dieser Moment, wenn Patienten sagen: ‚Ich dachte, das wäre vorbei – aber ich kann doch noch!'“ Dieser Funke neu gewonnener Lebensfreude – so zeigen die Erfahrungen – ist das eigentliche Ziel jeder Behandlung.
Quelle
• Fachpressekonferenz „Semaglutid: Ein Wirkstoff, zwei Erkrankungen, vielfältige Vorteile – evidenzbasiert“. Online, 4.7.2025. Veranstalter: Novo Nordisk Deutschland, Mainz.
Berichterstattung
• Rainer H. Bubenzer, Fachmedizinjournalist, Basel / Eichstädt bei Berlin, 5.7.2025.
Bildnachweis
• Konstantin Yuganov (fotolia.com, 63971714).