Es ist ein Phänomen, das viele Betroffene frustriert: Nach erfolgreichem Gewichtsverlust mit GLP-1-Medikamenten wie Semaglutid oder Tirzepatid kommt das Gewicht zurück – oft schneller als es verschwunden ist. Der sogenannte Jo-Jo-Effekt wird in der öffentlichen Wahrnehmung häufig als individuelles Scheitern gewertet. Dabei zeigt eine neue Analyse von Prof. Dr. Virginia Bellido, präsentiert beim Europäischen Adipositas-Kongress (ECO 2025), dass dieser Effekt alles andere als überraschend ist – sondern ein weitgehend biologisch erklärbares Muster.
Real-World-Daten: Frühe Therapieabbrüche, geringe Erfolge
Bellido stützte sich auf Daten von über 125.000 US-Amerikanern mit Adipositas, die zwischen 2018 und 2023 mit modernen GLP-1-Rezeptoragonisten behandelt wurden. Das Ergebnis ist ernüchternd: Bereits nach sechs Monaten beenden viele die Therapie, mit einem durchschnittlichen Gewichtsverlust von nur 2,9 %. Nach einem Jahr sind über die Hälfte aus der Behandlung ausgestiegen – mit der fast sicheren Folge, dass das Gewicht wieder ansteigt.
Biologie statt Schuld: Warum der Körper rebelliert
Doch die größere Erkenntnis liegt in den Mechanismen: Nach Absetzen der Medikamente verändert sich das hormonelle Gleichgewicht. Hungergefühle nehmen zu, das Sättigungsgefühl lässt nach, der Energieverbrauch sinkt. Der Körper versucht aktiv, das reduzierte Gewicht zu „reparieren“. In klinischen Studien zeigte sich, dass nach dem Absetzen von Semaglutid oder Tirzepatid bis zu zwei Drittel des erreichen Gewichtsverlusts innerhalb eines Jahres wieder zunimmt. Wer zuvor besonders erfolgreich abgenommen hat, erlebt oft den stärksten Rückfall – genau das, was landläufig als Jo-Jo-Effekt bezeichnet wird.
Darmmikrobiota: Der stille Mitspieler
Ein weiterer unterschätzter Faktor ist die Darmflora. Studien deuten darauf hin, dass GLP-1-Medikamente die Zusammensetzung der Darmmikrobiota beeinflussen. Nach Absetzen der Therapie könnte diese Veränderung teilweise rückgängig gemacht werden – was den Jo-Jo-Effekt zusätzlich antreibt. Dies unterstreicht, wie komplex die physiologischen Anpassungen des Körpers sind.
Adipositas ist chronisch – Kurzzeittherapien scheitern
Die entscheidende Botschaft: Es handelt sich dabei nicht um ein persönliches Versagen, sondern um die physiologische Antwort eines Körpers, der auf jahrtausendealte Überlebensstrategien zurückgreift. Adipositas ist eine chronische Erkrankung – wie Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck – und erfordert oft eine dauerhafte Therapie.
Langfristige Strategien statt schneller Lösungen
Was also tun? Bellido empfiehlt keine einfachen Auswege, sondern langfristige Strategien. Dazu gehören begleitende Lifestyle-Programme, gezielter Sport (insbesondere Krafttraining zum Erhalt der Muskelmasse), die schrittweise Reduktion der Medikation oder der Übergang zu kostengünstigeren Alternativen wie Liraglutid. Wichtig ist vor allem: Wer sein Gewicht erfolgreich reduziert hat, sollte nicht sich selbst infrage stellen – sondern die Bedingungen schaffen, unter denen dieser Erfolg dauerhaft bleiben kann.
Der Jo-Jo-Effekt ist keine Niederlage, sondern ein Hinweis darauf, dass wir eine chronische Krankheit nicht mit kurzfristigen Lösungen behandeln können.
Quelle
• Bellido V: Weight Regain after Pharmacology. Vortrag in der „Topic Session: Weight Regain“ (13.5.2025) beim „32nd European Congress on Obesity“ (ECO 2025), Malaga (ES), 11.-14.5.2025. Veranstalter „European Association for the Study of Obesity (EASO)“, London.
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